Pflegestufe abgelehnt – Jetzt Einspruch erheben

pflegestufe, pflege, altenpflege, Wer wegen einer Krankheit oder seines fortgeschrittenen Alters Hilfe benötigt, kann einen Antrag auf Leistungen aus der Pflegeversicherung stellen. Ob Leistungen gewährt werden und wie hoch diese ausfallen, hängt davon ab, welche Pflegestufe festgestellt wird. Bist Du mit dem ermittelten Pflegebedarf nicht einverstanden, kannst und solltest Du Einspruch erheben.

►Mustervorlage – Pflegestufe abgelehnt

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Name
Anschrift

Pflegekasse
Anschrift

Ort, den Datum

Ihr Bescheid vom ________ wegen Nichtanerkennung einer (höheren) Pflegestufe
Versicherungsnummer: ________________________________
Aktenzeichen: ________________________
Ihr Zeichen: ___________________

Sehr geehrte Damen und Herren,

am ___________ habe ich Ihren am ________ erlassenen Bescheid erhalten. Darin lehnen Sie meinen Antrag auf Einstufung in eine (höhere) Pflegestufe ab.

Ihre Einschätzung, dass die Voraussetzungen für die Einordnung in eine (höhere) Pflegestufe nicht erfüllt sind, teile ich nicht, denn diese Beurteilung wird der tatsächlichen Situation nicht gerecht. Daher lege ich Widerspruch gegen Ihre Entscheidung ein, wobei der Widerspruch zunächst fristwahrend erfolgt.

Gleichzeitig bitte ich Sie, mir eine Ausfertigung des Pflegegutachtens zukommen zu lassen. Nach Erhalt des angeforderten Gutachtens werde ich meinen Widerspruch mit separatem Schreiben begründen.

Mit freundlichen Grüßen
Unterschrift

Wie wird die Pflegestufe ermittelt?

Wenn Du Leistungen aus der Pflegeversicherung beantragst hast, kündigt sich schon bald ein Gutachter zum Hausbesuch an. Bei den gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen übernimmt der medizinische Dienst der Krankenversicherung, kurz MDK, diese Aufgabe. Bei den privaten Pflegekassen ist der Gutachterdienst „Medicproof“ zuständig.
Der Gutachter nutzt einen standardisierten Fragebogen, um den Grad der Pflegebedürftigkeit zu ermitteln. Dabei berücksichtigt er bestimmte Kriterien. Diese gliedern sich in die erforderlichen Hilfen für die Körperpflege, bei der Ernährung und bei der Mobilität sowie in den Hilfebedarf bei der Hauswirtschaft. Für die einzelnen Tätigkeiten sind Richtzeiten festgelegt. Allerdings soll die tatsächliche und individuelle Situation beurteilt werden. Deshalb kann der Gutachter von den Richtzeiten abweichen und einen höheren Zeitbedarf annehmen. Dies ist beispielsweise dann möglich, wenn der Pflegebedürftige unter starken Schmerzen leidet, versteifte Gelenke hat oder stark übergewichtig ist und dies die Pflege entsprechend erschwert.

Durch einen zweiten Fragebogen ermittelt der Gutachter außerdem, ob die Alltagskompetenz eingeschränkt ist. Eingeschränkte Alltagskompetenz bedeutet, dass ein Betreuungsbedarf vorliegt. Hierfür überprüft der Gutachter 13 festgelegte Kriterien. Zu diesem Kriterienkatalog gehört beispielsweise, ob der Tag- und Nachtrhythmus des Pflegebedürftigen gestört ist, wie er gefährliche Situationen einschätzt oder ob er unkontrolliert die Wohnung verlässt. Erfüllt der Pflegebedürftige mindestens zwei Kriterien, hat er Anspruch auf Leistungen aus der Pflegeversicherung. Dies gilt auch dann, wenn er ansonsten die Voraussetzungen für eine Pflegestufe nicht erfüllt. Werden die eingeschränkte Alltagskompetenz und eine Pflegestufe festgestellt, erhält der Pflegebedürftige je nach Schweregrad zusätzliche Leistungen in Form von Aufschlägen.

Auf Grundlage seiner Ergebnisse erstellt der Gutachter dann ein sogenanntes Pflegegutachten. Dieses Pflegegutachten nutzen die Pflegekassen, um zu entscheiden, ob und in welche Pflegestufe der Pflegebedürftige eingestuft wird. Die Pflegestufe wiederum ist maßgeblich für die Höhe der Leistungen aus der Pflegekasse.

 

Wie solltest Du Dich auf den Besuchstermin des MDK vorbereiten?

Der Gutachter kann bei seinem Hausbesuch nur begrenzt Einblick in die Gesamtsituation des Pflegebedürftigen nehmen. Die festgelegten Faktoren sind zwar eine Orientierungshilfe, um den Pflege- und Betreuungsbedarf feststellen zu können. Ein wirkliches Bild davon, wie sich das alltägliche Leben gestaltet, kann sich der Gutachter damit aber nicht machen. Damit der tatsächlich erforderliche Pflegeaufwand erfasst werden kann, ist es deshalb ratsam, sich gut auf den Termin vorzubereiten. Dabei solltest Du insbesondere

  • mindestens zwei Wochen lang ein Pflegetagebuch führen. In diesem Pflegetagebuch solltest Du genau notieren, wann Du welche Pflege- und Betreuungsleistungen erbracht hast und wie lange die einzelnen Tätigkeiten gedauert haben. Vordrucke für Pflegetagebücher erhältst Du kostenfrei bei jeder Kranken- und Pflegekasse.
  • alle Unterlagen, Berichte, Stellungnahmen und Gutachten zusammentragen, die die Krankengeschichte dokumentieren und den Pflegebedarf aufzeigen.
  • auf ehrliche und realistische Antworten achten. Viele Pflegebedürftige schämen ich, zuzugeben, wenn sie etwas nicht mehr alleine können. Einige schätzen ihre Situation auch falsch oder zu optimistisch ein. Die Folge davon kann aber sein, dass der Pflegebedarf zu niedrig angesetzt und dementsprechend keine oder nur geringe Leistungen bewilligt werden.

Wird der Pflegebedürftige von mehreren Personen gepflegt, sollten nach Möglichkeit alle Pflegepersonen an dem Termin teilnehmen. Hilft ein ambulanter Pflegedienst aus, sollte außerdem auch ein Mitarbeiter davon bei dem Begutachtungstermin anwesend sein.

Die Pflegekasse hat ab der Antragsstellung fünf Wochen lang Zeit, um Dich darüber zu informieren, ob und welche Pflegestufe festgestellt wurde. Hat die Pflegeperson Pflege- oder Familienpflegezeit beantragt, muss das Ergebnis schon nach zwei Wochen vorliegen. Hält sich der Pflegebedürftige im Krankenhaus, in einer Reha-Einrichtung oder in einem Hospiz auf oder erhält er eine ambulante Palliativversorgung, muss der Begutachtungstermin innerhalb von einer Woche erfolgen.

 

Was kannst Du tun, wenn die Pflegekasse Deinen Antrag abgelehnt hat?

Lehnt die Pflegekasse Deinen Antrag auf die Einstufung in eine Pflegestufe ab, teilt sie Dir diese Entscheidung durch einen entsprechenden Bescheid mit. Bist Du mit der Entscheidung nicht einverstanden, musst Du sie aber nicht stillschweigend hinnehmen. Stattdessen kannst Du dem Bescheid widersprechen. Die Praxis zeigt übrigens, dass es sich in vielen Fällen lohnt, nicht klein beizugeben. Möchtest Du Widerspruch einlegen, solltest Du wie folgt vorgehen:

 

1. Ein kurzes Widerspruchsschreiben aufsetzen.

Für Deinen Widerspruch hast Du nur vier Wochen lang Zeit. Innerhalb dieser Frist muss der Widerspruch bei der Pflegekasse eingegangen sein, andernfalls kann er nicht mehr berücksichtigt werden. Für Deinen Widerspruch reicht zunächst aber ein kurzes Schreiben aus. In diesem Schreiben solltest Du der Pflegekasse mitteilen, dass Du

  • Widerspruch gegen den Bescheid einlegst,
  • die Begründung Deines Widerspruchs nachreichen wirst und
  • die Zusendung einer Kopie des Pflegegutachtens erbittest.

Durch dieses Schreiben – Unterschrift nicht vergessen! – hast Du form- und fristgerecht Widerspruch eingelegt.

 

2. Das Pflegegutachten prüfen und den Einspruch begründen.

In dem Pflegegutachten stehen alle Angaben, die zu der Einschätzung und damit letztlich auch zu der Entscheidung der Pflegekasse geführt haben. Für Dich ist das Pflegegutachten deshalb aus zwei Gründen sehr wichtig. Zum einen kannst Du damit analysieren, warum Dein Antrag abgelehnt wurde. Zum anderen kannst Du daraus Argumente für Deine Widerspruchsbegründung ableiten. Du solltest das Pflegegutachten deshalb sehr genau lesen und prüfen,

  • ob alle Pflegetätigkeiten und Hilfeleistungen aufgeführt sind.
  • ob die vorliegenden Pflegeerschwernisse berücksichtigt wurden.
  • an welchen Stellen das Gutachten von den Aufzeichnungen im Pflegetagebuch oder von Deinen Einschätzungen abweicht.

Diese Infos kannst Du nun verwenden, um Deinen Widerspruch zu begründen. Sind zwischenzeitlich neue Beschwerden hinzugekommen oder werden Leistungen erbracht, die bislang nicht im Gutachten auftauchen, solltest Du diese natürlich ebenfalls erwähnen. Ratsam ist außerdem, eine Kopie des Pflegetagebuchs sowie Kopien von ärztlichen Attesten, Untersuchungsergebnissen und anderen relevanten Unterlagen beizulegen.

 

3. Die Entscheidung der Pflegekasse abwarten.

Nachdem Dein Widerspruch eingegangen ist, fordert die Pflegekasse eine Stellungnahme von dem Gutachter an, der das Pflegegutachten erstellt hat. Er prüft daraufhin noch einmal sein Gutachten. Dazu gleicht er seine Einschätzungen mit den vorhandenen Unterlagen und den Angaben aus Deinem Widerspruch ab. Gut ist deshalb, wenn Du das Pflegetagebuch und aktuelle Unterlagen zusammen mit Deinem Widerspruch einreichst, denn diese Infos werden ebenfalls berücksichtigt. Kommt der Gutachter nun zu einem anderen Ergebnis, informiert er die Pflegekasse über die neue Einschätzung.

Bleibt der Gutachter bei seiner Beurteilung, findet nach etwa vier bis sechs Wochen ein zweiter Begutachtungstermin statt. Dieses Mal bekommt der Betroffene aber Besuch von einem anderen Gutachter des MDK. Dieser Gutachter erstellt ein zweites Gutachten. Auch hier wird der Pflegebedarf anhand von Standardfragebögen ermittelt. Zusätzlich berücksichtigt der Zweitgutachter aber auch die Angaben aus Deinem Widerspruch und mögliche Veränderungen, die sich seit dem ersten Begutachtungstermin ergeben haben. Das Zweitgutachten wird dann an die Pflegekasse weitergeleitet. Sie entscheidet daraufhin, ob Sie Deinem Widerspruch abhilft und die beantragte Pflegestufe anerkennt oder ob sie Deinen Widerspruch zurückweist.

 

4. Klage vor dem Sozialgericht erheben.

War Dein Widerspruch nicht erfolgreich, bleibt Dir noch der Weg vors Sozialgericht. Um Klage zu erheben, hast Du einen Monat lang Zeit. Nimmt das Gericht Deine Klage an, findet eine mündliche Verhandlung statt. Gerichtskosten entstehen Dir vor dem Sozialgericht nicht. Nimmst Du anwaltliche Hilfe in Anspruch, musst Du die Anwaltskosten nur dann bezahlen, wenn das Gericht gegen Dich entscheidet. Allerdings kann ein Gerichtsverfahren sehr lange dauern. Viele Betroffene oder ihre pflegenden Angehörigen möchten kein langwieriges Verfahren auf sich nehmen oder befürchten hohe Kosten. Genau mit einem solchen ängstlichen Verhalten rechnen jedoch leider einige Pflegekassen und die Praxis scheint ihnen Recht zu geben, denn viele Betroffene geben tatsächlich viel zu früh auf.