Fehlerhafte Widerrufsbelehrung: Das sind Deine Möglichkeiten

Infos zu Fehlerhafte Widerrufsbelehrung
Ob eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vorliegt, ist nicht immer ganz einfach zu beurteilen.

Viele Verträge, die zwischen Verbrauchern und Unternehmen zustande kommen, sehen ein Widerrufsrecht vor. Durch das Widerrufsrecht hast Du die Möglichkeit, innerhalb einer bestimmten Frist vom Vertrag zurückzutreten. Dass es dieses Widerrufsrecht gibt, muss Dir Dein Vertragspartner mitteilen. Das passiert durch die sogenannte Widerrufsbelehrung. Dabei muss die Belehrung vollständig und ordnungsgemäß sein. Erfüllt sie die Anforderungen nicht, ist sie fehlerhaft. Und eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung führt dazu, dass die Widerrufsfrist nicht startet. Du kannst dadurch teils Jahre später noch den Vertrag widerrufen.

Egal, ob es um eine Versicherung, einen Kredit oder einen Kauf geht: Einen Vertrag schließt Du im Normalfall nicht mal eben so ab. Stattdessen machst Du Dir vorher Gedanken darüber. Trotzdem ist natürlich möglich, dass Du es Dir im Nachhinein anders überlegst.

Für diesen Fall gibt es bei vielen Verbraucherverträgen ein Widerrufsrecht. Und Dein Vertragspartner muss Dich darüber informieren, dass Du das Recht hast, den Vertrag zu widerrufen. Es reicht aber nicht aus, wenn er Dich irgendwie über das Widerrufsrecht belehrt. Vielmehr muss die Belehrung den gesetzlichen Anforderungen gerecht werden.

Fehler in der Widerrufsbelehrung haben zur Folge, dass die Widerrufsfrist nicht zu laufen beginnt. Für Dich kann das bedeuten, dass Du Dein Widerrufsrecht auch dann noch nutzen kannst, wenn der Vertragsabschluss schon lange zurückliegt.

Erst einmal Grundsätzliches zum Widerruf von Verträgen

Bestimmt hast Du die Redewendung „Pacta sund servanda“ schon einmal gehört. Ins Deutsche übersetzt, lautet sie „Verträge sind einzuhalten“. Gleichzeitig ist das einer der wichtigsten Grundsätze im Vertragsrecht. Denn beide Vertragsseiten sollen sich darauf verlassen können, dass sich beide Vertragspartner an die getroffenen Vereinbarungen halten.

Allerdings können sich die Vertragspartner auf freiwilliger Basis auch auf etwas anderes einigen. Räumt Dir ein Händler vor Ort ein, dass Du die gekaufte Ware umtauschen oder zurückgeben kannst, ist das ein Beispiel für so eine freiwillige Vereinbarung.

Und auch der Gesetzgeber macht bei gewissen Verträgen Ausnahmen. Nämlich in erster Linie für

  • Kaufverträge, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden,
  • Fernabsatzverträge, wie sie zum Beispiel beim Online-Shopping zustande kommen, und
  • Kreditverträge, die allgemeine Verbraucherdarlehen gemäß § 491 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sind.

Solche Verträgen kannst Du innerhalb von 14 Tagen widerrufen und dadurch zurücktreten. Die 14-tägige Widerrufsfrist beginnt, wenn Du den Vertrag geschlossen und die Ware oder Deine Ausfertigung von den Vertragsunterlagen bekommen hast. Außerdem muss Dich der Vertragspartner ordnungsgemäß über Dein Widerrufsrecht belehrt haben.

Möchtest Du den Vertrag widerrufen, genügt eine kurze Erklärung. Darin musst Du Deinem Vertragspartner klar und deutlich mitteilen, dass Du vom Vertrag zurücktrittst. Begründen musst Du Deine Entscheidung nicht. Deine Erklärung kannst Du sowohl mündlich als auch schriftlich abgeben. Doch damit Du einen Nachweis hast, falls es zu Unstimmigkeiten kommen sollte, bist Du mit einem schriftlichen Widerruf besser beraten.

Eine entscheidende Rolle an dieser Stelle spielt aber die Widerrufsbelehrung. Denn eine fehlende, unvollständige oder fehlerhafte Widerrufsbelehrung verlängert die Widerrufsfrist. Sie beträgt dann nicht mehr nur 14 Tage. Stattdessen erlischt Dein Widerrufsrecht erst nach einem Jahr und 14 Tagen.

Das Widerrufsrecht bei Baufinanzierungen

In jüngerer Vergangenheit waren fehlerhafte Widerrufsbelehrungen vor allem im Zusammenhang mit Immobilienkrediten immer wieder ein Thema.

Wie bei anderen Verbraucherkrediten gilt grundsätzlich auch bei Baufinanzierungen die gesetzliche Widerrufsfrist von 14 Tagen. Der Beginn der Widerrufsfrist setzt aber unter anderem voraus, dass die Bank den Kreditnehmer ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt hat. Ist die Widerrufsbelehrung unvollständig, fehlerhaft oder fehlt sie komplett, ergeben sich andere Fristen.

Und genau das kam vielen Verbrauchern zugute. Denn weil viele Belehrungen Fehler enthielten, hatte die 14-tägige Widerrufsfrist nie begonnen. Deshalb konnten etliche Kreditnehmer ihre Verträge auch Jahre später noch widerrufen.

Die schon länger anhaltende Niedrigzins-Phase sorgte dabei dafür, dass der Rücktritt von einem teuren, alten Vertrag und der Abschluss eines günstigeren, neuen Darlehens mit einer Ersparnis von teils mehreren tausend Euro einhergingen. Auch gezahlte Vorfälligkeitsentschädigungen konnten zum Teil zurückgeholt werden.

Nachträgliche Befristung des Widerrufsrechts

In den Medien wurde hier vom Widerrufsjoker gesprochen. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass es zulässig ist, wenn Verbraucher den Widerrufsjoker ziehen. Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben liege dabei nicht vor (BGH-Urteile vom 12.06.16 und 21.02.17, Az. XI ZR 501/15 und XI ZR 381/16).

Doch der Gesetzgeber hat mit einer nachträglichen Befristung reagiert. Seit März 2016 gilt für Immobiliendarlehen deshalb folgendes:

  • Hast Du Deine Immobilienfinanzierung vor dem 2. November 2002 abgeschlossen, kannst Du Dich nicht auf eine fehlende oder fehlerhafte Widerrufsbelehrung berufen. Damals gab es bei den meisten Darlehen nämlich noch gar kein Widerrufsrecht. Deshalb mussten die Banken auch nicht darüber belehren.
  • Kam Dein Kreditvertrag zwischen dem 2. November 2002 und dem 10. Juni 2010 zustande, lief die Widerrufsfrist am 21. Juni 2016 ab. Selbst bei einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung kannst Du den Vertrag deshalb jetzt nicht mehr widerrufen. Ein Widerruf kommt nur dann noch in Frage, wenn die Belehrung komplett fehlt.
  • Für Baufinanzierungen im Zeitraum vom 11. Juni 2010 bis zum 21. März 2016 gilt das ewige Widerrufsrecht. Wenn die Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist oder fehlt, kannst Du den Vertrag also unendlich lang widerrufen.
  • Bei einem Immobilienkredit nach dem 21. März 2016 kannst Du bei fehlender oder fehlerhafter Belehrung maximal ein Jahr und 14 Tage lang von Deinem Widerrufsrecht Gebrauch machen.

Wann eine Widerrufsbelehrung fehlerhaft ist

Ob eine Widerrufsbelehrung vollständig und ordnungsgemäß ist oder ob nicht, lässt sich oft nicht so einfach erkennen. Aus diesem Grund beschäftigen fehlerhafte Widerrufsbelehrungen auch immer wieder die Gerichte. Dabei hat sich in den vielen Gerichtsverfahren aber gezeigt, dass einige Fehler recht häufig vorkommen:

Der Beginn der Widerrufsfrist ist nicht eindeutig

Die Belehrung muss klar und deutlich benennen, wann die Widerrufsfrist zu laufen beginnt. Bei einer Formulierung, die nicht eindeutig oder missverständlich ist, liegt ein Fehler vor.

Eine korrekte Widerrufsbelehrung erklärt den Beginn der Widerrufsfrist zum Beispiel mit der Formulierung „nach Abschluss des Vertrags, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hat“.

Einige Banken hatten für ihre Belehrungen amtliche Muster verwendet. Doch im Muster des Gesetzgebers heißt es, dass die Frist „frühestens mit Erhaltung dieser Belehrung“ beginnt. Das Problem dabei ist das Wort „frühestens“. Denn wenn die Widerrufsfrist frühestens ab diesem Zeitpunkt beginnt, könnte sie genauso gut auch zu einem späteren Zeitpunkt beginnen. Deshalb führt diese unklare Angabe zu einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung.

Die zuständige Aufsichtsbehörde ist nicht benannt

Im Rahmen der Pflichtangaben weisen viele Widerrufsbelehrungen auf die zuständige Aufsichtsbehörde hin. Allerdings bleibt es bei einem Hinweis. Näher benannt wird die Aufsichtsbehörde nicht.

Die Folge ist eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung. Wenn der Start der Widerrufsfrist voraussetzt, dass dem Kreditnehmer alle Pflichtangaben vorliegen und die zuständige Aufsichtsbehörde zu diesen Angaben zählt, muss die Behörde nämlich auch benannt werden. Andernfalls kann die Frist nicht starten und die Belehrung ist nicht vollständig.

Die Rechtsfolgen eines Widerrufs sind ungenau beschrieben

Die Belehrung muss darüber informieren, welche Rechtsfolgen ein Widerruf hat. Sind die rechtlichen Folgen gar nicht erläutert oder falsch dargestellt, ist die Widerrufsbelehrung unwirksam.

Außerdem führt eine ungenaue Formulierung dazu, dass die Belehrung ungültig wird. Gleiches gilt, wenn sich aus Versehen ein falsches Wort einschleicht. Besagt die Widerrufsbelehrung zum Beispiel, dass Du die Kreditsumme innerhalb von 30 Tagen „nach Abgabe der Widerrufsbelehrung“ erstatten musst, ist sie fehlerhaft. Richtig muss es nämlich heißen, dass Du das Geld „nach Abgabe der Widerrufserklärung“ zurückzahlen musst.

Zusätzliche Hinweis stiften Verwirrung

Die Bank kann in ihre Belehrung weitere Hinweise und zusätzliche Angaben aufnehmen. Allerdings müssen die Formulierungen dann eindeutig, klar und nachvollziehbar sein. Verwirrt der Wortlaut oder sind die Informationen nicht verständlich, ergibt sich eine fehlerhafte und damit unwirksame Widerrufsbelehrung.

Andersherum ist eine Belehrung auch dann fehlerhaft, wenn wichtige Angaben fehlen. Bei einem verbundenen Geschäft zum Beispiel muss die Belehrung darüber aufklären, welche Rechtsfolgen es hat, wenn Du dieses verbundene Geschäft widerrufst.

Ein verbundenes Geschäft liegt beispielsweise dann vor, wenn Du zusammen mit dem Darlehen eine Restschuldversicherung abgeschlossen hast. Weist die Belehrung nur auf die Rechtsfolgen beim Widerruf des Darlehens hin und lässt die Restschuldversicherung komplett außen vor, ist die fehlerhaft.

Die Verbraucherzentrale Hamburg stellt auf ihrer Webseite weitere Infos zu fehlerhaften Widerrufsbelehrungen zur Verfügung. Außerdem findest Du dort Auswertungen von diversen Belehrungen verschiedener Banken.

Deine Möglichkeiten, wenn Du eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vermutest

Als juristischer Laie wirst Du nur schwer beurteilen können, ob die Widerrufsbelehrung in Deinem Vertrag ordnungsgemäß oder fehlerhaft ist. Denn mögliche Fehler sind nur selten wirklich offensichtlich. Weit öfter sind es kleine, unscheinbare Formulierungen, die zum Fehler führen. Manchmal geht es auch um Rechtsfragen, deren richtige Einordnung ein entsprechendes Fachwissen voraussetzt.

Deshalb solltest Du Dich auf keinen Fall zu vorschnellen Handlungen verleiten lassen. Hole Dir stattdessen juristischen Rat ein. Dazu kannst Du Dich an eine Verbraucherzentrale oder einen Rechtsanwalt wenden. Ein Jurist kann einschätzen, ob eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vorliegt und wie Deine Chancen auf einen erfolgreichen Widerruf stehen. Außerdem kann er Dir sagen, welche Schritte erforderlich sind.

Wenn Du eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vermutest, gehst Du am besten wie folgt vor:

  • Zuerst solltest Du Deinen Vertrag einem Anwalt oder der Verbraucherzentrale vorlegen und die Widerrufsbelehrung prüfen lassen.
  • Stellt sich heraus, dass eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung vorliegt und Du recht gute Chancen auf einen erfolgreichen Widerruf hast, kannst Du bei Deiner Rechtsschutzversicherung nachfragen, ob Du eine Deckungszusage bekommst.
  • Willst Du einen Kredit widerrufen und hast Du das Geld nicht, um das Darlehen direkt zu tilgen, musst Du Dich um eine Anschlussfinanzierung kümmern.
  • Dann kannst Du Deinen Widerruf erklären. Dein Anwalt kann Dir dafür einen Musterbrief zur Verfügung stellen. Du kannst ihn aber natürlich auch mit dem Schriftverkehr beauftragen.
  • Nimmt die Bank den Widerruf an, folgt die Rückabwicklung des Vertrags. Lehnt sie ab, besteht vielleicht die Möglichkeit, sich auf einen Vergleich zu einigen. Ansonsten kannst Du Deinen Widerspruch nur im Rahmen einer Klage weiter verfolgen.
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Durch einen erfolgreichen Widerspruch kannst Du erreichen, dass Du vorzeitig aus dem Vertrag aussteigen oder einen neuen, günstigeren Kredit abschließen kannst. Möglich ist auch, dass die Bank die Vorfälligkeitsentschädigung senkt oder Dir zu hohe Zahlungen zurückerstattet.

Wäge die Risiken ab!

Eine fehlerhafte Widerrufsbelehrung ist die eine Sache. Ob Du am Ende Recht bekommst und Dein Widerruf den gewünschten Erfolg einbringt, steht aber auf einem anderen Blatt.

Den Widerruf zu erklären, geht immer mit gewissen Risiken einher. So musst Du zunächst einmal damit rechnen, dass die Bank Deinen Widerruf nicht einfach akzeptiert. Ist eine außergerichtliche Einigung nicht möglich, bleibt Dir nur ein Gerichtsverfahren. Aber eine Klage kostet nicht nur Geld, sondern kann auch viel Zeit in Anspruch nehmen.

Eine Rechtschutzversicherung kann zumindest das Kostenrisiko abfedern. Ob Du eine Deckungszusage bekommst, hängt aber zum einen von Deinem Versicherungsschutz ab. Zum anderen spielt der Vertrag, den Du widerrufen willst, eine Rolle. Sind in Deiner Police zum Beispiel Angelegenheiten des Bank- und Kapitalmarktrechts ausgeschlossen, erbringt Deine Versicherung keine Leistung.

Bedenken musst Du außerdem, dass Du eine Kreditsumme grundsätzlich innerhalb von 30 Tagen nach dem Widerruf zurückzahlen musst. Kannst Du das aus eigenen Mitteln nicht, solltest Du Dir zuerst die Zusage für eine neue Finanzierung besorgen. Sonst reicht Dir die Zeit womöglich nicht aus. Das Problem ist nur, dass einige Banken keinen Kredit gewähren, wenn Du das Geld brauchst, weil Du ein anderes Darlehen widerrufen willst.

Deshalb: Wäge ab und lass Dich juristisch beraten, bevor Du vorschnell einen Widerruf erklärst.