Aktualisiert am 23. Juli 2024 von Ömer Bekar, geprüft und gegengelesen von Rechtsanwalt Andreas Berger
Das Arbeitszeugnis ist ein sehr wichtiges Dokument für Dich. Schließlich belegt es nicht nur, was Du in einem bestimmten Zeitraum gemacht hast. Stattdessen informiert es Deine möglichen künftigen Arbeitgeber darüber, wie Du als Arbeitnehmer bist. Aber welche Arten von Zeugnissen gibt es überhaupt? Wie muss ein Arbeitszeugnis verfasst sein? Und was kannst Du tun, wenn Dir Dein Arbeitgeber ein schlechtes Arbeitszeugnis ausgestellt hat?
Die Fristen rund ums Arbeitszeugnis
Du hast zwar immer Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Allerdings muss Dir Dein Arbeitgeber ein Zeugnis nur auf Verlangen ausstellen. Forderst Du kein Zeugnis ein, muss er Dir also auch keines erteilen. Generell gilt deshalb, dass Du Deinen Arbeitgeber zeitnah um ein Zeugnis bitten solltest. Schließlich kann Dich Dein Chef am besten beurteilen, solange seine Erinnerungen noch frisch sind. Außerdem kannst Du besser Einfluss nehmen, solange Du noch vor Ort bist. Je früher Du Dein Zeugnis hast, desto schneller ist Deine Bewerbungsmappe komplett. Für Deine weitere Jobsuche ist dies natürlich ein großer Pluspunkt. Davon abgesehen gibt es aber auch Fristen zum Arbeitszeugnis:
- Ein einfaches Zeugnis kannst Du verlangen, solange noch Unterlagen zu dem Beschäftigungsverhältnis existieren.
- Wie lange Du ein qualifiziertes Zeugnis verlangen kannst, hängt davon ab, ob es in Deinem Arbeitsvertrag Ausschlussfristen gibt. Ausschlussfristen werden in manchen Verträgen auch Verfallsfristen oder Verfallsklauseln genannt. Eine typische Formulierung lautet beispielsweise „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb eines Monats schriftlich geltend gemacht werden, andernfalls sind sie verwirkt.“ Eine solche Klausel bedeutet, dass Du Dein Arbeitszeugnis innerhalb von einem Monat nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses schriftlich anfordern musst. Nach Ablauf des Monats hast Du keinen Anspruch mehr auf ein qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dein Arbeitgeber muss Dir dann nur noch ein einfaches Zeugnis ausstellen. Eine Ausschlussfrist muss sich aber nicht unbedingt aus Deinem Arbeitsvertrag ergeben. Sie kann nämlich auch im Tarifvertrag stehen.
- Gibt es keine Fristen, kann Dein Anspruch nach einiger Zeit trotzdem verwirkt sein. Die Arbeitsgerichte vertreten nämlich die Auffassung, dass Du ein qualifiziertes Zeugnis zeitnah verlangen musst. In verschiedenen Gerichtsverfahren wurden dabei Zeiträume zwischen sechs Monaten und drei Jahren zugebilligt. Danach ist der Anspruch verwirkt, Du kannst also kein qualifiziertes Zeugnis mehr verlangen.
Die Grundsätze bei der Erteilung eines Zeugnisses
Es gibt weder Gesetze noch Tarifverträge, die detailliert regeln, welche Inhalte ein Zeugnis haben muss. Deshalb hat die Rechtsprechung vier Grundsätze entwickelt, die für das Erteilen von Arbeitszeugnissen gelten:
- Grundsatz der Wahrheit: Alles, was in dem Zeugnis steht, muss wahr sein. Reine Behauptungen, die nicht auf Tatsachen beruhen, Verdächtigungen oder Annahmen haben im Zeugnis nichts zu suchen.
- Grundsatz des verständigen Wohlwollens: Das Zeugnis muss wohlwollend verfasst sein. Es darf Deine berufliche Zukunft nicht erschweren oder behindern.
- Grundsatz der Vollständigkeit: In dem Zeugnis müssen alle Angaben zum Arbeitsverhältnis und Bewertungen zur Leistung und zum Verhalten enthalten sein, die für die Gesamtbeurteilung relevant sind. Einmalige Vorfälle oder Gegebenheiten, die für Dich, Deine Leistung oder Dein Verhalten nicht charakteristisch sind, dürfen nicht im Zeugnis stehen. Dies betrifft beispielsweise Abmahnungen.
- Grundsatz der individuellen Beurteilung: Die Bewertung darf nicht nur aus irgendwelchen allgemeinen Standardfloskeln bestehen. Stattdessen muss aus den Formulierungen hervorgehen, dass es in der Beurteilung speziell um Dich geht.
Eine besondere Bedeutung kommt der sogenannten Schlussnote zu. Aus Zeitmangel werden Arbeitszeugnisse nämlich zunächst oft nur überflogen. Aus der Schlussnote kann die Gesamtbeurteilung abgelesen werden. Für die Schlussnote wird eine bestimmte Ausdrucksweise verwendet. Der Arbeitgeber ist zu dieser Formulierung zwar nicht verpflichtet, in der Praxis steht sie aber in nahezu jedem Zeugnis. Als Orientierungshilfe geht die Rechtsprechung von folgenden Bewertungsrichtlinien aus:
- stets zur vollsten Zufriedenheit = Note 1
- stets zur vollen Zufriedenheit = Note 2
- zur vollen Zufriedenheit = Note 3
- zur Zufriedenheit = Note 4
Die Schlussnote darf aber nicht im Widerspruch zum Rest stehen. Ist das Zeugnis gut, muss auch die Schlussnote gute Leistungen bescheinigen. Ist das Zeugnis eher durchwachsen, darf die Schlussnote nicht plötzlich der Note 1 entsprechen.
Die formalen Anforderungen an ein Arbeitszeugnis
Du hast Anspruch auf ein schriftliches Arbeitszeugnis. Normalerweise muss Dein Arbeitgeber dafür das übliche Briefpapier des Unternehmens verwenden. Ausnahmsweise kann Dein Arbeitgeber das Zeugnis aber auch auf einem weißen Blatt Papier ausstellen. In diesem Fall müssen dann die vollständige Bezeichnung, die Rechtsform und die aktuelle Anschrift der Firma genannt sein. Weitere formale Anforderungen sind:
- Das Zeugnis muss verständlich und ohne Grammatik- oder Rechtschreibfehler verfasst sein.
- Das Zeugnis darf keine Radierungen, Verbesserungen, Korrekturen oder Streichungen enthalten.
- In dem Zeugnis dürfen keine Ausrufe-, Frage- und Anführungszeichen vorkommen. Außerdem dürfen Textpassagen nicht unterstrichen, kursiv oder fett gedruckt sein.
- Das Zeugnis muss sauber und ordentlich sein. Es darf aber wie ein Brief gefaltet werden, solange es trotz der Knicke kopierfähig bleibt.
- Das Zeugnis muss handschriftlich von Deinem Chef oder einem anderen Vorgesetzten, der ranghöher und Dir gegenüber weisungsbefugt ist, unterschrieben sein. Weil die Originalunterschrift zu den formalen Anforderungen gehört, ist ein Zeugnis in elektronischer Form nicht zulässig.
Für das Arbeitszeugnis gilt die sogenannte Holschuld. Das bedeutet, Dein Arbeitgeber muss das Zeugnis zu den üblichen Geschäftszeiten bereitlegen, damit Du es abholen kannst. Ist das Zeugnis an Deinem letzten Arbeitstag noch nicht fertig, muss es Dir Dein Arbeitgeber zuschicken. Gleiches gilt, wenn Du nach Deinem Ausscheiden weiter weggezogen bist oder Hausverbot hast.
Deine Möglichkeiten, wenn Du mit dem Zeugnis nicht einverstanden bist
Du musst das Arbeitszeugnis, das Dir Dein Arbeitgeber ausgestellt hat, nicht stillschweigend hinnehmen. Wurden in dem Zeugnis beispielsweise
- Sachverhalte falsch beschrieben,
- Tätigkeiten oder Leistungen unvollständig aufgeführt,
- Leistungen oder Dein Verhalten ungerecht bewertet
- wesentliche oder branchenübliche Inhalte weggelassen oder doppeldeutig formuliert oder
- formale Anforderungen nicht erfüllt,
kannst Du Widerspruch gegen das Zeugnis einlegen. Eine Berichtigung Deines Zeugnisses musst Du jedoch zeitnah verlangen. Als Richtlinie gilt maximal ein halbes Jahr ab Zeugnisausstellung. Danach hast Du keinen Anspruch mehr auf eine Überarbeitung und Korrektur.
Bevor Du in die Vollen gehst, solltest Du aber erst einmal das Gespräch mit Deinem Arbeitgeber suchen. Oft wollte der Arbeitgeber gar kein schlechtes Zeugnis ausstellen, wusste es nur einfach nicht besser. Willst oder kannst Du nicht persönlich mit Deinem Arbeitgeber sprechen, kannst Du schriftlich Widerspruch einlegen. In Deinem Widerspruch solltest Du erklären, warum Du mit dem Zeugnis nicht einverstanden bist. Du kannst Deinem Arbeitgeber zudem eine Frist setzen, bis wann er das Zeugnis überarbeiten soll. Ratsam ist, Deinem Arbeitgeber auch gleich Formulierungsvorschläge oder eine neue Version des Zeugnisses mitzuschicken. Oft wird er sich nämlich darauf einlassen und Deine Änderungswünsche übernehmen.
Weigert sich Dein Arbeitgeber, Änderungen vorzunehmen, bleibt Dir nur noch die Klage. In der Klageschrift musst Du angeben, wie Dein Zeugnis aussehen soll. Dein Arbeitgeber wiederum muss nachweisen, dass das Zeugnis inhaltlich richtig und seine Bewertung zutreffend ist. Das Gericht wird dann prüfen, ob und welche Formulierungen zu ändern sind. Das Verfahren kann mit einem Vergleich enden. In diesem Fall übernimmt Dein Arbeitgeber die Vorschläge des Gerichts und stellt Dir ein neues Zeugnis aus. Das Verfahren kann aber auch durch Urteil entschieden werden: Dein Arbeitgeber wird dann zur Änderung des Zeugnisses verurteilt. Oder Deine Klage wird abgewiesen und das Zeugnis bleibt, wie es ist.